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Zu einer Zeit
in welcher Schreiben und Lesen der Geistlichkeit vorbehalten war,
ist es verständlich, dass Sprüche zur Beeinflussung der
Liebe und der körperlichen Begierde keinen Niederschlag fanden.
Während noch aus der Antike
eine Fülle solcher Zaubersprüche überliefert sind,
fliesst der Liebeszauber erst wieder in der Literatur des ausgehenden
Mittelalters in das Schrifttum ein. In späterer Zeit, besonders
im Rahmen der Hexenverfolgung liegen dann auch ausführliche
Beschreibungen solcher Praktiken vor. Für das 10. und 11. Jahrhundert
hingegen haben kirchliche wie auch weltliche Gesetze einen expliziten
Riegel gegen jede Art von Einflussnahme auf das seelische und körperliche
Verlangen zwischen Mann und Frau vorgeschoben.
Und doch finden
sich auch für diese Zeit Belege von Liebeszauber und von Aphrodisiaka.
Einige
davon sind in den von der Kirche verbreiteten Bussbüchern -
Sammlungen von sündhaften Vergehen mit den entsprechenden Strafen
- zu finden. Ein Fischzauber, ein Brotzauber,
ein Blutzauber und ein Spermazauber
illustrieren solche Rituale. Daneben bieten einige umfangreiche
Sammlungen von Heilrezepten eine weitere Quelle für sexuell
stimulierende Mittel. Beispiele hierfür liefern zwei Hirsch-Aphrodisiaka,
ein Geissbock-Aphrodisiakum sowie ein rein pflanzliches
Anaphrodisiakum und zusätzliche Aphrodisiaka.
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Sehr ausführliche
Schilderungen von Liebeszauber finden sich im wohl bekanntesten
Katalog zu christlichen Verfehlungen, dem Corrector,
das Bischof Burchard
von Worms als Teil seines Decretums zu Beginn des
11. Jahrhunderts erstellte:
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Fischzauber |
- Fecisti quod quaedam mulieres facere solent?
- Tollunt piscem vivum, et mittunt eum in
- puerperium suum, et tam diu eum ibi tenent,
- donec mortuus fuerit, et, decocto pisce vel assato,
- maritis suis ad comedendum tradunt, ideo faciunt
hoc,
- ut plus in amorem earum exardescant?
- Si fecisti, duos annos per legitimas ferias poeniteas.
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(Text:
Migne, Patrologia Latina, Bd.140, Sp.974)
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Brotzauber |
- Fecisti quod quaedam mulieres facere solent?
- Deponunt vestimenta sua, et totum corpus nudum
- melle inungunt, et sic mellito suo corpore supra
- triticum in quodam linteo in terra deposito,
- sese hac atque illac saepius revolvunt,
- et cuncta tritici grana, quae humido corpori
- adhaerent, cautissime colligunt, et in mollam
mittunt,
- et retrorsum contra solam molam circuire faciunt
- et sic in farinam redigunt, et de illa farina
pane
- conficiunt, et sic maritis suis ad comendendum
- tradunt, ut comesto pane marcescant et deficiant?
- Si fecisti, quadraginta dies in pane et aqua
poeniteas.
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(Text:
Migne, Patrologia Latina, Bd.140, Sp.976)
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Blutzauber |
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Dass unter all
diesen Vergehen die Verwendung von Menstruationsblut mit höchsten
Strafen versehen ist, beruht auf der Tatsache, dass nach dem alttestamentarischen
Heiligkeitsgesetz des Leviticus der Verzehr von Blut strengstens
untersagt (Lev
17, 10-12) ist und dass der Menstruationsausfluss insgesamt
als unrein angesehen wird (Lev
15, 19-30).
Daneben wird
in den Bussbüchern häufig die Selbstverabreichung von
Sperma angeführt. Auch den männlichen Samen erachtet das
Alte Testament als unrein (Lev
15, 2-18) und so ist es nicht verwunderlich, dass solche Vergehen
mit vergleichbar hohen Bussen geahndet werden. Ein entsprechender
Eintrag aus einem englischen Bussbuch
des 11. Jahrhunderts lautet:
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Spermazauber |
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Es ist zu bemerken,
dass in all diesen von der Kirche zusammengestellten Katalogen,
Frauen als Ausführende des sündigen Liebeszaubers angesehen
werden und Männer die Opfer sind.Diese Sichtweise widerspiegelt
natürlich die mittelalterliche
Aversion der Kirche gegenüber Sexualität, wonach Frauen
in ihrer Unvollkommenheit als Verführerinnen betrachtet werden.
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Anders
hingegen schaut es bei den aus der Spätantike überlieferten
"medizinischen" Aufzeichnungen aus. Hier wird Impotenz
als Leiden angesehen und mit entsprechenden Rezepturen behandelt.
In der sogenannten "Medicina de Quadrupedibus",
ursprünglich aus dem 5. Jahrundert und im 11. Jahrhundert
auf altenglisch übersetzt, finden sich drei solcher potenzsteigernden
Aphrodisiaka:
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HirschAphrodisiaka |
- Wifgemanan to aweccanne nim heortes sceallan,
- dryg, wyrc to duste, do hys dæl on wines
drinc;
- þæt awecceþ wifgemanan lust.
- Wið þæt ylce, nim heortes scytel
7 cnuca to duste,
- do on wines drinc, hit haleð þat ylce.
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GeissbockAphrodisiakum |
- To wifes willan, þæs buccan geallan
meng wið recels,
- 7 wið netelan sæd;
smyre þone teors mid ær foran
- to þæs restgemanan;
- þæt wif onfehð þæs
willan on ðam hæmede.
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Als
weitere Quelle von Aphrodisiaka aus dem 10. Jahrhundert kann
das einzige diesbezügliche Rezept aus der umfangreichen
Sammlung des sogenannten altenglischen "Leechbook"
angeführt werden. Hier wird der Patient geschlechtsneutral
angeben, womit die Anwendung eventuell auch für Frauen
gelten kann. |
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Anaphrodisiakum
und zusätzliche Aphrodisiaka |
Læcedomas gif mon sie to wræne oþþe
to unwræne.
- Gif mon sie to wræne, wyl hindheoloþan
on wiliscum
- ealað; drince on neaht nestig.
- Gif mon sie to unwræne, wyl on meolce þa
ilcan wyrt,
- þonne awrænst þu.
- Wyl on eowe meolce eft hindhioloþan, alexandrian,
- fornetes folm hatte wyrt;
- þonne biþ hit swa him leofost bið.
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